Staande Mastroute, Teil 2
Haarlem
Nach Haarlem ist es am Donnerstag nur ein kurzer Sprung. An der ersten Brücke sammelt sich eine kleine Gruppe und wir passieren die nächsten Schleusen und Brücken gemeinsam.
Sehr zentral gelegen finde ich einen Liegeplatz. Bis auf wenige Ausnahmen, kann man überall entlang des Kanals direkt in Haarlem längsseits gehen. Neben etlichen kleinen Motorbooten und gelegentlichen Seglern schieben sich auch immer wieder große Frachtschiffe durch die Stadt. Da bleiben bei den Brücken nur wenige Zentimeter an jeder Seite.
Am Abend komme ich ins Gespräch mit einem Iren. Ray und Ann von der Smudgly, einer Moody 36, sind wie ich auf dem Weg nach Vlissingen, wollen dann allerdings weiter auf die Kanalinseln.
Freitag bleibt es heiß. Ich hänge das Bettzeug zum Lüften über den Baum und tausche
auch gleich die warme, schwere Winterbettdecke gegen die Sommerdecke. Selbst
die Nächte sind jetzt nicht mehr eisig.
Am Vormittag mache ich einen Stadtbummel und gehe einkaufen.
Nachmittags machen wir an Bord der Smudgly Törnplanung. Morgen soll es nach Gouda
gehen und dafür müssen wir sowohl eine Eisenbahn- und Autobahnbrücke passieren, die
nur wenige Male am Tag zu festen Zeiten öffnet, als auch durch eine Baustelle in
Boskoop, die ebenfalls nur zweimal täglich passierbar sein soll.
Unsere Öffnung der Kaagbrug wäre um kurz vor halb eins, viertel vor drei müssten wir
zwanzig Kilometer weiter die Passage durch Boskoop beginnen. Dazwischen liegen
allerdings noch eine Menge weiterer Brücken, so dass das eng werden könnte. Mit ein
paar Alternativmöglichkeiten im Hinterkopf planen wir mit der ersten Brückenöffnung in
Haarlem um viertel vor neun abzulegen. Für die Kaagbrug sollte das hoffentlich reichen
und ob wir Boskoop rechtzeitig erreichen wird sich unterwegs zeigen.
Gouda
Halb neun warte ich abfahrtbereit im Cockpit aber an der Brücke tut sich auch zur angekündigkten Zeit nichts. Um neun wird klar warum. Ein sechsunddreißig Meter langer Flussdampfer schließt sich den wartenden Segel- und Motorbooten an. In dessen Schraubenwasser zu fahren ist etwas ungemütlich, es hat aber den Vorteil, dass alle Brücken sich unserem Konvoi sofort öffnen. So kommen wir zügig voran und erreichen die Kaagbrug eine Stunde vor Öffnung. Leider erfüllt sich die Hoffnung auf eine frühzeitige Öffnung nicht. Der Flussdampfer passt unter dem Brückenpaar durch und lässt uns zurück.
Ab jetzt beginnt also wieder der normale Brückenrhythmus. Doch auch ohne Unterstützung öffnen die Brücken meist sehr schnell und wir versuchen Boskoop und damit Gouda heute noch zu erreichen.
Eine der letzten Brücken vor Boskoop macht uns schließlich einen Strich durch die Rechnung. Die Minuten ziehen vorbei und die Ampel bleibt rot. Bis die Brücke endlich öffnet ist das Zeitfenster für die Passage durch die Baustelle so gut wie vorbei. Wir fahren trotzdem weiter. Boskoop ist jetzt dichter als der letzte Hafen in der anderen Richtung. Und tatsächlich haben wir Glück. Am Ortseingang sind zwar noch ein paar Schilder zu sehen, die von der Sperrung sprechen, der Streckenabschnitt scheint allerdings befahrbar. So erreichen wir ohne Probleme die Brücke am anderen Ortsende und warten auf deren Öffnung.
Dass es dann mit einem kanalfüllenden Containerschiff weitergeht hätten wir nicht erwartet.
Erneut hilft der Große mit den Brückenöffnungen bis wir wieder eine etwas höhere Brücke erreichen. Der Frachter fährt weiter, wir machen im kühlen Schatten an den Wartepollern fest und haben eineinhalb Stunden Pause. Wir sind bereits knapp neun Stunden unterwegs, die letzte Pause ist fünf Stunden her. Nach so langer Zeit in der knallen Sonne, ohne Möglichkeit die Pinne zu verlassen, tut das gut.
Das einzig gekühlte Getränk ist Milch. Also gibt es einen eiskalten Kakao zum runterkühlen. Ich stelle aber auch eine Tupper mit Wasser in die Kühlbox. Das Tankwasser ist zwar nicht warm. Aber bei der aktuellen Hitze ist ein richtig kaltes Getränk sehr wohltuend.
Halb sieben öffnet die Brücke endlich und zehn Minuten später erreichen wir Gouda. Gleich vornan im Jachthafen finden wir einen Platz. Der Hafenmeister wollte mich erst nach hinten in eine Box schicken, dann zeigt er auf die Smudgly und fragt "Family?", auf die Antwort "Friends", meint er dann, wir sollen doch lieber gemeinsam ins Päckchen gehen.
Einige der Brücken, die wir heute passiert haben, wurden mit dicken Schläuchen bewässert um sie abzukühlen. Bei der nächsten Brücke in Richtung Dordrecht hat man sich das wohl gespart und prompt ist die auch bei der Hitze ausgefallen. Montag früh um sechs Uhr soll sie wieder funktionieren. Also buchen wir gleich zwei Nächte und gewinnen den Sonntag zum bummeln in Gouda.
Am Sonntag packe ich Sonnencreme, Wasser und Kamera ein und mache mich auf den Weg in die Stadt. Zu Fuß sind das etwa zwanzig Minuten vom Jachthafen. Da Sonntag ist haben die meisten Geschäfte geschlossen. Ich schlender über den Dorfplatz mit dem alten freistehenden Rathaus und spazier dann durch die stillen Gassen und an den Kanälen entlang bis zum Museumshafen.
Dort tobt wieder das Leben, denn hier ist Hafenfest. Viele alte Frachtsegler liegen zur Schau. Es gibt Speis, Trank und Musik. Ich setze mich in den Schatten und schaue dem Treiben zu.
Mittags steht der "Tanz" der Musemsschiffe auf dem Programm. Große und kleine rasen wild hin und her, drehen Pirouetten. Auf wundersame weise geht das alles ohne Unfall auf dem Engen Raum aus. Untermalt wird das ganze von toller Livemusik.
Zurück an Bord sind fünfunddreißig Grad unter Deck. Schnell reiße ich alles auf.
Abends planen wir wieder gemeinsam die Weiterfahrt. Die kaputte Brücke sollte morgen wieder öffnen und es gibt morgen nur eine Brücke mit festen Zeiten. Allerdings gilt es ab jetzt wieder die Gezeiten zu beachten da es um die Maas herum doch einiges an Strom geben kann. Bei Rotterdam und Dordrecht dürfte dann auch der Verkehr dichter werden.
Dordrecht
Kurz vor acht legen wir am Montag ab. Laut offiziellen Meldungen soll die kaputte Brücke wieder arbeiten und wir wollen ihr keine Zeit zum erneuten Überhitzen geben. Außerdem sollte es so mit dem Strom in der Maas passen. Bis halb drei haben wir Zeit, dann kippt der Strom und fängt an gegen uns zu drücken.
Etwas mehr Wartezeiten haben wir heute allerdings. Vor den ersten beiden Schleusen warten wir zwanzig und vierzig Minuten. Die Öffnung der Alblasserdamsebrug kurz vor Dordrecht verpassen wir um wenige Minuten und drehen hier schließlich knapp zwei Stunden lang Kreise. Eine Wartestellt gibt es leider nicht. Die ganze Zeit über liegt ein Löschboot unter der Brücke und kühlt diese.
Anschließend geht es mit Dampf weiter, inzwischen auch mit Strom gegenan. Vor dem Hafen, ein kleines Stücken Kanal inmitten von Häusern, machen wir noch einmal für eine halbe Stunde fest bis die Brücke über die Hafeneinfahrt öffnet.
Am Abend kommt Ray nochmal vorbei und zeigt mir ein paar gute (und günstige) Anlegemöglichkeiten in England. Die Smudgly bleibt morgen hier und macht eine geführte Stadttour durch Dordrecht.
Hollands Diep
Dank Gezeitemstrom und Brückenöffnungen kann ich es am Dienstag langsam angehen lassen. Nach einem gemütlichen Frühstück nehme ich Abschied von Ray und Ann, lese noch eine Weile und mache mich mit der Brückenöffnung um zwanzig nach elf auf den Weg.
Die Brücken werden wieder bewässtert und funktionieren alle. Nur kurze Wartezeiten, dann geht es weiter.
Gegen zwei Uhr fahre ich an Willemstad vorbei und machte vor der Volkarksluizen fest. Betreten darf man den Schwimmsteg nicht, aber immerhin ist festmachen und warten erlaubt.
Durch die Schleuse geht es mit zwei dicken Pötten und einem Motorboot.
Nicht weit hinter der Schleuse will ich ankern. Ein paar mögliche Ankerplätze hatte ich mir bereits rausgesucht. Doch die sind alle so verkrautet, dass das Echolot zum Teil gar keine Tiefe mehr anzeigen kann. Nachdem ich eine gute Stunde lang mehrere Kandidaten abgefahren bin drehe ich um und fahr zurück zur Schleuse. Auf einer Seite des Wartestegs kann man auch übernachten. Am Ende finde ich doch noch kurz vor der Schleuse neben der Fahrrinne eine sandige Stelle und lasse meinen Anker fallen. Es ist stark vermückt, ansonsten aber sehr gemütlich.