Staande Mastroute, Teil 1
Die ersten Einhand-Schleusen
Als ich um sechs aus der Koje krieche ist es noch eiskalt im Boot. Schnell ziehe ich die üblichen Lagen Funktionswäsche an, dicke Socken, Stiefel, Ölzeug. Frühstück gibt es heute nicht. Bevor es losgeht laufe ich einmal zur Brücke hoch und schaue mir an, was mich in meiner ersten Einhand-Schleuse erwartet.
Kurz vor sieben schaltet die Ampel von rot-rot auf auf ein einzelnes rotes Licht. Die Schleuse ist jetzt also in Betrieb. Bei rot-grün (Schleuse wird vorbereitet), lege ich ab und treibe noch eine Weile vor den Toren. Emma hat wohl verschlafen, erst jetzt wird die Hündin Gassi geführt.
Schließlich öffnen sich die Tore und die Ampel leuchet grün. Alleine fahre ich in die Kammer, mache an der Seite fest, dann wird die Kammer wieder geschlossen. Wenige Minuten später, der Wasserspiegel hat sich kaum verändert, geht es raus aufs Lauwersmeer. Auch hier und in der nächsten Schleuse vom Lauwersmeer auf die Kanäle bin ich völlig alleine unterwegs. Die Schleuse und auch die folgenden Brücken schalten meist ihre Ampeln auf rot-grün sobald ich in die Nähe komme. Nur ab und an muss ich mal fünf Minuten mit einer Spring am Poller warten bis es weitergeht.
Mittagspause in Dokkum
Dokkum erreiche ich kurz nach elf. Überall entlang der Grachten um den Stadtkern
kann man anlegen. Ich finde einen Platz direkt unter einer der beiden historischen
Windmühlen. Es wird am Rand allerdings so flach, dass mein Kiel bereits im Schlick
steckt.
Zeit für eine Mittagspause und eine kleine Stärkung. Das fehlende Frühstück macht
sich langsam bemerkbar.
Mit vollem Magen habe ich Kraft für einen Stadtbummel. Dokkum hat eine schöne Altstadt mit Gassen und kleinen Kanälen. An einigen Stellen gibt es Schilder, die von der Geschichte der Stadt erzählen und den Opfern des zweiten Weltkriegs gedenken.
Die bekannte Geschichte Dokkums beginnt mit der Ermordung des christlichen Missionars Bonifatius und seiner zweiundfünfzig Begleiter. Als Folge ernannten die Katholiken Bonifatius zum Märtyrer und Dokkum zum Wallfahrtsort.
Auch die niederländische Admiralität hatte einst ihren Sitz in Dokkum. Damals war das Dokkumerdiep noch direkt mit dem Lauwersmeer verbunden und die Stadt befand sich direkt am Meer. Durch zunehmende Verschlammung und sich verändernde Handelsrouten verlor Dokkum allerdings mehr und mehr an Bedeutung.
Ein Denkmal, dass noch an diese Zeit erinnert ist ein stilisierter Galgen. In 1630 wurden sechs Dünkirchener Korsaren gefangen genommen. Fünf der Piraten wurden zum Tod am Galgen verurteilt, der sechste war zu jung und kam mit körperlicher Züchtigung davon.
Am Tag der Vollstreckung sollen sich so viele Dokkumer auf der dem Galgen gegenüberliegenden Kettenbrücke versammelt haben, dass diese eingebrochen ist.
Zurück an Bord kommt auch gerade die Emma in Dokkum an. Schafft es mit einem Tiefgang von knapp zwei Metern aber nicht anzulegen und fährt nach ein paar Versuchen weiter.
Am Nachmittag mache auch ich mich wieder auf den Weg. Übernachten möchte ich heute an einem der vielen kostenlosen Naturwanderplätze, die durch den Marrekrite-Verein betrieben werden. Die nächste Brücke hingegen ist nicht kostenlos. Fünf Euro müssen in bar beim Durchfahren der Brücke an den Brückenmeister übergeben werden. Dazu schwingt dieser einen Holzschuh an einer Angel herüber, in den das Brückengeld (am besten gleich passend) gesteckt wird. Ich hatte nur Zehner, musste also auch noch auf Wechselgeld warten. Das war allein an Bord mit dem Rigg schon fast in der hochgeklappten Brücke ein wenig aufregend.
Zwei Meilen weiter habe ich meinen Marrekrite-Steg für die Nacht gefunden. Eine Weile sitze ich noch im Cockpit, dann wird es frisch und es zieht mich unter Deck.
Leeuwarden
Am nächsten Morgen geht es weiter nach Leeuwarden.
Ich hatte geplant auch hier anzuhalten und mir den Ort anzusehen. Gleich am Ortseingang hätte ich anlegen können. Dahinter hängen die Bäume meist so weit über den Kanal, dass ich mit dem Mast im Geäst hängen bleiben würde. Dann folgt Brücke auf Brücke und auf einmal bin ich am anderen Ende aus der Stadt schon wieder raus.
Ich fahre noch ein gutes Stück weiter. Die Kanäle werden jetzt breiter, stärker befahren und streckenweise auch deutlich industrieller.
Am Nachmittag fahre ich zum ersten Mal in meinen Leben mit dem Boot über eine Brücke.
Halb fünf mache ich an einem weiteren Marrekrite-Steg fest. Während der Wanderplatz von gestern noch an einem Wander- und Fahrradweg lag, ist dieser wirklich komplett abgeschieden. Nur ein kleines umzäuntes Stück Rasen und der Anleger.
Wochenende, Lemmer und das Ijsselmeer
Das Wochenende bleibe ich hier liegen. Die Sonne scheint mit voller Kraft und im Windschatten ist fühlt es sich richtig nach Sommer an. Jetzt gibt es auch jede Menge Verkehr auf dem Kanal, etliche Motorboote und einige Segler ziehen in beiden Richtungen vorbei. Ich schaue dem Treiben zu, arbeite mich durch meinen Stapel ungelesener Yacht- und Palstek-Ausgaben und lass die Seele baumeln.
Montag fahre ich weiter. Sechs Stunden durch ein paar letzte Brücken und eine stillgelegte Schleuse, dann ist Lemmer erreicht.
Jetzt steht nur noch eine Schleuse zwischen mir und dem Ijsselmeer. Die Schleuse ist groß und ich warte ziemlich einsam eine halbe Stunde lang bis endlich die Ampel auf rot-grün springt. Ich kann direkt in die zweite beiden Kammern durchfahren, dann wird das Tor zwischen den beiden Kammern geschlossen und ein riesiger Frachter fährt in die erste Kammer ein.
Fünf Minuten später bin ich auf dem Ijsselmeer. Kurz hinter der Schleuse biege ich links ab zurück in Richtung Lemmer und gehe ein kurzes Stück außerhalb der Rinne vor Anker.