Anholt
Morgens am Ankerplatz weht der versprochene Südost. Um neun Uhr stehen die Segel.
Ein paar Meilen weg von der Küste lässt der Wind nach und dreht auf Ost bis Nordost. Nicht so günstig für das heutige Ziel, aber noch lässt es sich schön segeln.
Bereits aus der Ferne zeigt der Plotter, was auf Anholt zu erwarten ist. Sternförmig bewegen sich dutzende AIS-Signale auf die Westseite der Insel zu. Der Hafen selbst ist ein grüner Fleck aus sich überlagernden AIS-Signalen. Ich habe vor am Nordstrand zu ankern. Chancen auf einen Liegeplatz im Hafen sehen nicht gut aus.
Etwa zehn Meilen vor Anholt rollt von Süden eine gewaltige Gewitterwolke an. Die Wolkenwalze streckt sich zu beiden Seiten bis zum Horizont.
Der Wind lässt zunächst noch mehr nach, ich nehme aber in Erwartung
des Unwetters das Großsegel weg und dümpel nur mit der Genua vor
mich hin.
Zwanzig Minuten später geht es los. Der Wind dreht von Ost auf
Südwest und legt zu. Fünfzehn Knoten, zwanzig Knoten,
siebenundzwanzig Knoten. Mit um die sieben Knoten Fahrt laufe ich
vor dem Wind ab. Der Platzregen reduziert die Sich auf wenige
hundert Meter.
Gute zehn Minuten sause ich so dahin, dann nimmt die Wassertiefe
plötzlich rapide ab. Von sicheren dreißig Metern zählt das Echolot
runter auf zehn Meter, dann weiter vorbei an fünf Metern... als zwei
Meter erreicht sind habe ich den Bug in den Wind gedreht. Ich starte
den Motor und fahre langsam in meinem Kielwasser zurück gegen den
Wind. Rolle noch das schlagende Vorsegel ein.
Laut GPS und beobachteter Position (bevor der Regen die Sicht
raubte) sind Anholt und das lange Ostflach noch einige Meilen
entfernt. Ich sollte in alle Richtungen mehrere Meilen Raum mit über
zwanzig Metern Tiefe haben. Trotzdem machen die Tiefenmessungen
unruhig.
Ich motore weiter mit geringer Geschwindigkeit gegen den Wind. Das
Echolot schwankt jetzt permanent zwischen einem Meter und zwanzig
Metern und bestätigt mir so, dass die Angaben von dem Gerät einfach
nicht stimmen.
Als die Sicht wieder etwas besser wird und Anholt wieder schemenhaft in der Ferne zu erkennen ist gehe ich wieder auf meinen alten Kurs. Es regnet noch, aber der Wind ist jetzt vollständig eingeschlafen und ein Versuch wieder zu segeln bringt keinen Erfolg.
Zwanzig nach acht fällt der Anker in klarem Wasser an Anholts Nordstrand. Ich mache mir mein Abendessen warm, schaue mir den Sonnenuntergang im Cockpit an und krieche in meine Koje.