Nachtfahrt nach Irland
Heute geht es nach Kinsale in Irland. Das ist von den Isles of Scilly eine Strecke von etwa einhundertfünfzig Meilen für die ich um die dreißig Stunden unterwegs sein sollte.
Um fünf Uhr geht der Wecker. Ich prüfe noch einmal die Wettervorhersagen, schmiere Brot für unterwegs und bereits alles für die Abfahrt vor. Einen Kanister Diesel fülle ich ich den Tank um, dann geht es um sieben Uhr los. Vorbei an zwei Ankerliegern und durch das enge St Helen's Gap raus auf den Atlantik.
Es weht aus Nord. Ich setze die Genua, hänge die Windpilot ein und laufe erstmal einen Nordostkurs. Es ist grau, kalt, aber trocken und dick eingepackt gut auszuhalten.
Im Laufe des Vormittags nimmt der Wind ab und schläft zur Mittagszeit völlig ein. Die Wolkendecke reißt auf, die Sonne am blauen Himmel, es wird warm im Cockpit und ich lege nach und nach meine warmen Klamotten ab. Schließlich bringen auch die Segel keinen Vortrieb mehr, es ist Zeit den Motor zu starten.
Am Nachmittag funkt mich ein Fischer aus einiger Ferne an und bittet um Abstand um nicht mit seinem Trawling-Equipment ins Gerangel zu kommen. Ich schlage einen grooßzügigen Haken. Ansonsten ist nicht viel los. Ein paar vereinzelte Segler laufen am Horizont auf Gegenkurs, ein Frachter und eine große Fähre erspähe ich mit dem Fernglas.
Es bleibt flau bis zum Abend. Außer der Atlantikdünung ist kaum Bewegung im Wasser. Ich nutze die ruhigen Bedingungen und klettere nach dem Abendessen ein paar Stufen den Mast hoch um ein paar Aufnahmen aus einer anderen Perspektive zu machen.
Genau zum Sonnenuntergang erreiche ich die irische Grenze und tausche die Red Ensign unter der Steuerbordsaling gegen die Irish Tricolour. Es kommt langsam wieder etwas Wind aus Westen. Im Westen stehen aber auch bereits dicke, dunkle Wolkenbänder. Kommt das nächste Unwetter doch wieder früher als angekündigt?
Für die Nacht packe ich mich wieder dick ein. Lange Merino-Unterhose, lange
Fleece-Unterhose, Skisocken, Merinohemd, Fleecehemd, Softshell-Jacke und eine
fleecegefütterte Jacke. Über das alles Ölzeug, Stiefel, Schal und Wollmütze.
Trotz der vielen Klamotten friere ich in der Nacht wenn ich mich eine Weile lang
nicht bewege.
Kurz nach dem Einbruch der Dunkelheit setzt ein leichter Regen ein, der mich bis in die Morgenstunden begleitet. Der Wind bleibt schwach und der Motor läuft weiter. Zu langsames Vorankommen würde bedeuten den Starkwind des nächsten Tiefs mit voller Kraft abzubekommen und das möchte ich vermeiden.
Erst halb vier kommt wieder genug Wind zum Segeln. Der legt dann auch recht rasch immer weiter zu. Um neun Uhr bläst es mit ausgewachsenen sechs Beaufort.
Die Mündung des Bandon River erreiche ich um halb elf. Im Schutz der Küste segel ich
noch ein gutes Stück mit der Genua den Fluss hinauf bevor ich die Maschine starte und
langsam nach Kinsale tucker.
Alle Plätze, die in den Seekarten und verschiedenen Revierführern als Ankerplätze
eingezeichnet sind, sind inzwischen von engen Bojenfeldern belegt. Wenn ich schon
zahlen muss, kann ich auch gleich in den Hafen gehen.
Ich will gerade den Hafenmeister vom Jachtclub anrufen, da merke ich, dass der Motor im Vorwärtsgang festhängt. Egal ob Hebel vorwärts, rückwärts, neutral oder auch im Leerlauf, Gas geben führt immer zu Vorwärtsschub. Vorsichtig bewege ich mich zurück zur Flussmündung und gehe im Südteil von Jacky's Cove vor Anker.
Mit der Niedergangstreppe aus dem Weg kann ich erspähen, dass das Bowdenzug der Gangschaltung nicht mehr am Getriebe fest ist. Von hier komme ich da aber nicht ran. Dafür muss ich schon von der Seite an den Motor und das heißt leider, die gesamte Hundekoje leerzuräumen, sowohl über als auch unter den Bodenbrettern.
Nach dreieinhalb Stunden tut die Schaltung wieder und der Salon ist wieder begehbar. Ich fahre zurück Flussaufwärts zum Kinsale Yacht Club und rufe an. Der Hafen ist voll, aber eine Boje hätten sie für mich. Das sind hier "Pick-Up-Bojen" ohne einen Ring für Bojenhaken oder Festmacher. Stattdessen hängt an der Boje ein kleiner runder Fender, den man sich mit dem Bootshaken an Deck angelt, über den Fender erreicht man eine dicke Mooringleine, die an Bord belegt wird.
Der Strom ist inzwischen recht stark und ich muss ganz schön Gas geben um gegenan zur Boje zu kommen. Das Aufnehmen der Boje klappt zum Glück beim ersten Versuch. Die Nachbarn haben den Festmacher alle über ihren Ankerbeschlag an Deck geführt. Bei mir läuft es am Ende auch darauf hinaus. Meine Lippklampen sind jedenfalls zu schmal für die dicke Leine. Also wuchte ich den Anker aus seinem Beschlag heraus an Deck um Platz für den Festmacher zu schaffen.
Die Kuchenbude baue ich noch auf um der Nässe und dem seit Stunden anhaltenden Dauerregen wenigstens etwas entgegenzuhalten, mache mir ein paar Nudeln mit Öl und Pfeffer, dann ab ins Bett.